Offener Brief an das Frauenhaus Pirmasens

"Eine wichtige Institution in Pirmasens ist das Frauenhaus. Frauen in Notlagen finden dort Zuflucht" ...solange sie in das Bild passen, das man von 'Schutzbedürftigen' hat. Wer nicht ins Muster passt, bleibt draußen. Aber naja, das System läuft weiter, mit all den verlorenen Seelen, die keiner sehen will...

Offener Brief an das Frauenhaus Pirmasens. Für euch war ich nicht Frau genug. Für euch war ich nichts.



Ich weiß nicht mal mehr ob ich diesen Brief schreibe weil ich noch irgendwas hoffe. Oder ob es einfach nur ein Schrei ins Nichts ist. Vielleicht ist es das. Ein letzter Beweis dafür dass es mich gab. Dass ich gelebt habe. Dass ich gekämpft habe. Und dass ihr mich habt sterben lassen. Seelisch. Innerlich. Still. Kaputt.

Mein Name ist Jessica. Ich bin 35 Jahre alt. Ich bin eine Frau. Nicht weil es irgendwo auf einem scheiß Ausweis steht. Nicht weil es irgendein Gesetz sagt. Sondern weil ich es immer war. Weil es tief in mir gebrannt hat. Weil es mein einziger Funke war. Aber das hat euch nicht interessiert. Euch im Frauenhaus Pirmasens. Euch die eigentlich da sind um Menschen wie mich zu schützen. Frauen. Gebrochene. Verlorene. Kaputte. Zerbrochene.

Aber ich war nicht gut genug für euch. Nicht echt genug. Nicht sauber genug. Nicht passend genug für eure Welt aus Akten und Regeln und Kälte.

Ich kam aus der Hölle. Sieben Jahre lang war ich in einem Albtraum der sich Beziehung nannte. Gewalt. Erniedrigung. Drohungen. Angst. Psychoterror. Von allen Seiten. Ein Schwiegervater der mir beim ersten Kennenlernen seinen Schal um den Hals wickelte und zudrückte. Einfach so. Aus Hass. Aus Ekel. Weil ich nichts wert war in seinen Augen.

Ein Schwager der geisteskrank war. Vollgepumpt mit Alkohol und Drogen. Der alles zerstörte was ihm in den Weg kam. Kioske. Bushaltestellen. Fensterscheiben. Menschen. Er hätte mich auch zertrümmert. Ohne mit der Wimper zu zucken. Über hundertfünfzig Mal stand die Polizei vor meiner Tür. Über hundertfünfzig Mal Hoffnung auf Rettung. Aber nichts passierte. Ich blieb. Ich blieb in der Hölle. Weil ich nichts hatte. Keine Familie mehr. Keine Wohnung. Kein Geld. Keine Hilfe.

Bis ich ging. Endlich. Mit nichts als einem Müllsack voller alter Kleidung. Und einer Seele die längst verbrannt war. Ich schlief in meinem Auto. Auf Parkplätzen die nach Pisse stanken. Ich wusch mich heimlich auf öffentlichen Toiletten. Ich lebte nicht mehr. Ich atmete nur noch. Aber ich hatte einen Termin beim Frauenhaus Pirmasens.

Meine Lehrerin (Ich war gerade dabei meinen Hauptschulabschluss nachzuholen) hatte ihn gemacht. Sie glaubte noch an sowas wie Menschlichkeit. An Schutz. An Hilfe. Sie sagte Jessica das ist kein Problem. Du bist eine Frau. Die helfen dir. Aber ich wusste es besser. Ich kannte die Welt. Ich kannte Menschen. Und ich kannte diesen Blick in ihren Augen wenn sie hörten dass ich trans bin.

Ich fuhr trotzdem hin. Weil ich nichts mehr zu verlieren hatte.

Und dann saß ich da. In diesem kalten Raum. Mit einer Frau vor mir die mich ansah wie Dreck. Wie eine Last. Wie etwas das man loswerden will.

Und sie sagte den Satz der mir bis heute in den Knochen steckt. In meinen Träumen. In meinen Albträumen.

Wir können dich nicht aufnehmen. Frauen wie du könnten die anderen triggern.

Ich war dem Frauenhaus in Pirmasens nicht Frau genug.

Frauen wie ich...

Was bin ich denn für euch. Ein Monster? Ein Fehler?? Ein Ding das draußen verrecken soll???

Ich wollte doch nichts anderes als Schutz. Einen Raum. Eine Tür zum Zumachen. Einen Platz an dem ich nicht sterben muss. Aber ihr habt mich weggeschickt wie Abfall. Wie Müll. Wie etwas das nicht in euer schönes sauberes Bild passt.

Ich frage euch. Habt ihr je darüber nachgedacht was das mit einem Menschen macht. Wenn man sich selbst schon hasst. Wenn man selbst schon jede Nacht denkt es wäre besser nicht mehr aufzuwachen. Und dann kommt ihr. Und sagt mir. Du bist es nicht wert.

Ich habe überlebt. Irgendwie. Aber das Loch in mir. Das habt ihr mitgeschaufelt.

Frauenhäuser sollen Schutz sein. Aber ihr habt euer Haus gebaut auf Mauern aus Vorurteilen und Ignoranz. Und vor eurer Tür liegen Menschen wie ich. Blutend. Zitternd. Kaputt. Und ihr geht einfach vorbei.

Ich schreibe diesen Brief nicht weil ich Vergebung will. Ich schreibe ihn weil ich es muss. Weil es irgendwo stehen soll. Weil es irgendwo schwarz auf weiß sichtbar sein soll dass ihr Teil meines Schmerzes seid. Teil meines Traumas.

Und ich hoffe eines Tages wird jemand diesen Brief lesen und verstehen.

Man kann einen Menschen auch töten ohne ihm die Kehle durchzuschneiden.

Ihr habt mein Herz zerschnitten. Mit euren Worten. Mit eurem Schweigen. Mit eurer Kälte.


Ich war nicht Frau genug für euch ?! Ihr wart nicht Mensch genug für mich !!!


Ich hatte keine Kraft mehr. Nichts. Ich war leer, aufgebraucht, zerfressen von Angst und Einsamkeit. Alles, was ich noch besaß, passte in den Kofferraum meines Autos. Kein Zuhause, keine Ruhe, kein Ziel. Ich saß da, verheult, ausgebrannt, ohne Perspektive, und bekam zur Antwort:
„Du triggerst.“ Trigger??? Mich triggert dieses ganze Scheißsystem !!!
Ein System aus Menschen, die dich systematisch aussortieren, weil du nicht in ihr verdammtes Raster passt. Ich bin kein Monster. Und doch wird mir immer wieder das Gefühl gegeben, ich müsste mich für meine bloße Existenz schämen.

Was ich gebraucht hätte???
Einen Menschen. Einen echten.
Nicht eine dieser SCHEINHEILIGEN „von oben herab“ Tussis die mich anschauen, und mir mit ihren Blicken sagen „Du wirst niemals eine Frau wie wir sein“.
Ich hätte jemanden gebraucht, der mich anschaut und nicht sofort wegschaut. Einen Sozialarbeiter, eine Seelsorgerin, irgendwen, der sagt: „Okay, wir schauen, wie wir dir helfen können.“
Jemanden, der mit mir redet. Der mir zuhört. Vielleicht sogar in den Arm nimmt, wenn ich da sitze, völlig am Ende, ohne zu wissen, wie ich meine Scheidung durchkriegen soll oder wie ich überhaupt den nächsten Tag überleben kann.

Aber stattdessen bekam ich Ablehnung. Und das von einem Verein, der schützen sollte.
Weil ich nicht „normal“ bin. Weil ich nicht die richtige Verpackung mitbringe. Weil meine Realität unbequem ist.
Aber was denkt ihr, wie es sich anfühlt, trans zu sein?
Meint ihr, ich hab mir das ausgesucht???
Ich wäre verdammt gern einfach „normal“. Einfach mal leben, wie alle anderen. Ohne ständig mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Ohne Misstrauen, ohne ekelhafte Blicke, ohne Spott. Ohne die Angst, dass mir wieder jemand mitten in der Stadt vor die Füße rotzt, einfach nur aus dem Grund, weil ich gerade zufällig da bin.

Ich bin nicht zu viel. Ich bin einfach nur ich. Und das reicht in eurer Welt nicht.

Und dann, als ob das alles nicht schon genug gewesen wäre
krieg ich zum Abschied ne Lidschattenpalette.
Kein Gespräch. Kein Perspektivplan. Kein Sozialarbeiter. Keine Hilfe.
Nur: „Hier, mach dich hübsch, während du langsam an deiner Existenz zerbrichst.“

War das Sarkasmus?
Ein letzter Schlag ins Gesicht?
Was wolltet ihr mir damit sagen?
„Wir sehen dich nicht als Frau, aber hey, spiel ruhig ein bisschen mit Farbe.“


Was für eine KRANKE SCHEISSE ! IHR SEID ERBÄRMLICH !


Ihr habt mir keine Chance gegeben. Kein Netz, kein Halt.
Nur nen billigen Raum für sieben Tage, damit ich schnell wieder aus den Augen bin. Damit ihr euch nicht länger mit dem Problem befassen müsst, das ich für euch darstelle.

Aber ich bin kein Problem.
Ich bin ein Mensch.
Und was ihr da gemacht habt, war kein „Wir können grad nicht helfen“, es war Wegstoßen. Abschieben. Wieder einmal.

Und genau deswegen verliere ich langsam den Glauben an dieses System.
Denn wenn selbst dort, wo Hilfe versprochen wird, nur noch Kälte und Intolleranz regiert
wer bleibt dann noch übrig?


Wenn Schweigen bricht - Das Frauenhaus Pirmasens meldet sich nach öffentlicher Kritik

17.04.2024

Vorwort

Nach der Veröffentlichung meines offenen Briefs über die Ablehnung durch das Frauenhaus Pirmasens hat sich die Einrichtung endlich geäußert. Ihre Antwort betont, dass sie sich als "queerfreundliche" Institution versteht und dass die Abläufe damals nicht ihrer Wahrnehmung entsprachen. Doch unerwähnt bleibt, dass meine verzweifelten E-Mails, sowohl an das Frauenhaus als auch an meine Sozialarbeiterin, über Monate hinweg unbeantwortet blieben.

Bereits vorab wurde mir telefonisch ein Platz zugesichert. Doch als ich vor Ort war und offenlegte, dass ich trans bin, hieß es plötzlich, dass kein Platz mehr verfügbar sei, ich könnte die Frauen Triggern. Diese plötzliche Wendung und das Schweigen in den darauffolgenden Wochen ließen mich ohne Hilfe und ohne Rückmeldung zurück.

Erst als queer.de über den Vorfall berichtete, reagierte das Frauenhaus und schickte mir am 17.04.2025 ein Statement via E-Mail. In diesem wurde jedoch lediglich auf strukturelle Probleme, räumliche Kapazitäten und Gruppendynamik

verwiesen, während die spezifische Diskriminierung, die mir als trans Frau widerfahren ist, ignoriert wurde. Eine Entschuldigung blieb aus.

Für mich bleibt die entscheidende Frage: Warum wurde ich abgelehnt, obwohl ich einfach nur Schutz suchte? Die Antwort des Frauenhauses zeigt, wie leicht Menschen in Notlagen übersehen und im Stich gelassen werden, bis öffentlicher Druck eine Reaktion erzwingt. Wahre Hilfe entsteht nicht nur durch Raum, sondern durch Kommunikation, Empathie und den Mut zuzuhören.

Antwort auf das Statement der Frauenzufluchtsstätte Pirmasens e.V. vom 17.04.2025
von Jessica (alchknd)


Sehr geehrter Vorstand, sehr geehrte Mitarbeiterinnen der Frauenzufluchtsstätte Pirmasens,


vielen Dank für Ihre Rückmeldung auf meinen offenen Brief. Es ist ein Zeichen von Anstand, überhaupt zu reagieren; und dafür möchte ich Ihnen, trotz aller Enttäuschung, danken.

Gleichzeitig muss ich ehrlich sagen: Ihre Antwort hat mich nicht versöhnt. Sie hat mich erneut in genau das Gefühl geworfen, das ich mit meinem Brief zu fassen versuchte nicht gesehen zu werden.

Sie schreiben von Irritation. Ich schrieb von Schmerz.
Sie sprechen von Abläufen. Ich schrieb von Ausgrenzung.
Sie zitieren Institutionen. Ich erzähle von einem Leben, dass daran fast zerbrochen ist.

Sie sagen, dass meine Schilderungen „nicht Ihrer Wahrnehmung der Abläufe entsprechen.“ Aber genau darum geht es doch: Ihre Wahrnehmung war nicht meine Realität, und Ihre Entscheidung damals hatte weitreichende Konsequenzen für mein Leben. Für meine Würde. Für mein Überleben.

Wenn Sie schreiben, dass Sie sich als "queerfreundlich" verstehen, dann frage ich: Warum war Ihre Tür in dem Moment geschlossen, als ich - trans, obdachlos, traumatisiert - vor Ihnen stand?


Die GFU hatte im Vorfeld telefonischen Kontakt mit Mitarbeiterinnen des Frauenhauses. Es wurde alles abgesprochen: die Aufnahme, das Zimmer, organisatorische Dinge wie Anmeldung beim Amt, Verpflegung, Mietkosten.

Alles stand bereit. Bis sie erfuhren, dass ich trans bin.

Plötzlich war jedes zuvor gesprochene Wort hinfällig. Alles, was zuvor mit der Sozialarbeiterin der GFU vereinbart worden war, wurde über Bord geworfen, ohne Vorwarnung.

Denn was man am Telefon nicht erwähnt hatte, war der „entscheidende“ Punkt: Die Frau, um die es ging, ist eine trans Frau.

Wäre es tatsächlich an fehlenden Kapazitäten gescheitert, hätte man das von Anfang an sagen können. Stattdessen wurde mir vermittelt, ich könne kommen. Dass ein Bett, ein Dach, ein Stück Sicherheit auf mich wartet. Aber offenbar war das nur solange gültig, bis mein Geschlecht zur Sprache kam.


Ich wurde nicht einfach abgelehnt. Es war, als ob man mir das, was ich hinter mir gelassen hatte, wieder aufzwingt, mich erneut traumatisiert, entmenschlicht. Das können keine noch so wohlklingenden Floskeln von „bunter Arbeit“ oder „fachlicher Einschätzung“ ausradieren.

Ihre Räume mögen klein sein, Ihre Kapazitäten begrenzt. Das verstehe ich. Was ich nicht verstehe, und was ich nicht akzeptieren kann, ist die Kälte, mit der über Ausschlüsse entschieden wird. Es ist nicht die Raumgröße, die verletzt. Es ist der Blick. Die Haltung. Der Satz:
„Frauen wie du könnten die anderen triggern.“

Wie viel Menschlichkeit passt in Ihre Schutzräume, wenn eine wie ich draußen bleiben muss?
Ich war nicht süchtig. Ich war nicht akut psychotisch. Ich war einfach nur trans. Und das war offenbar genug, um mich abzulehnen.

Sie sagen, Sie wollen keine Einzelfälle öffentlich kommentieren. Doch dieser „Einzelfall“ ist symptomatisch. Ich bin nicht die Einzige, der so etwas passiert ist. Ich bin nur eine der Wenigen, die den Mut gefunden hat, laut zu werden.

Ich weiß, was Sie in Ihren Postfächern haben.
Vielleicht schauen Sie nochmal nach. Vielleicht lesen Sie die Mails, die ich ihnen damals geschickt habe, als ich zu Ihnen kam, voll von Hoffnung und auch Angst. Ich war nicht einfach eine „Auffällige“. Ich war jemand, die vor Gewalt floh. Vor der psychischen und physischen Gewalt, die mir tagtäglich zugestoßen ist.

Die Schminkpalette die man mir zum Abschied gab hat mich umso mehr entblößt. Sie wollten mir etwas Schönes geben, ein Stück Oberflächlichkeit, damit ich mich wieder „passend“ mache, passend für einen Raum, in den ich nie hineingehört habe.
Aber was ich gebraucht hätte, war kein Make-up, sondern echte Hilfe, echte Unterstützung. Sozialarbeit, Seelsorge. Nicht das Gefühl, wieder übergangen zu werden, das Gefühl, dass ich nicht einmal ein richtiges Gespräch wert bin. Was in mir passiert ist, als ich das bekam, das war kein Trost, das war eine Erhöhung des Gefühls, dass meine Existenz immer noch nicht ausreicht. Nicht einmal für das, was Sie als „Schutz“ bezeichnen.


Wenn Sie wirklich aus dieser Erfahrung lernen wollen, wenn Sie nicht nur rhetorisch „bunt“ arbeiten wollen, sondern auch real, dann hören Sie nicht nur auf Ihre "Wahrnehmung der Abläufe", sondern auf die Stimmen derer, die draußen stehen.
Ich habe nicht erwartet, dass Sie sich entschuldigen. Aber ich hätte gehofft, dass Sie zuhören. Wirklich zuhören. Nicht nur mit juristisch geschliffenen Formulierungen antworten, sondern mit einem Hauch von Empathie. Von Selbstreflexion.

Aber ich bleibe enttäuscht, verletzt, aber laut.
Nicht, um Sie zu zerstören. Sondern um daran zu erinnern, dass Schutz nicht bei der Türschwelle enden darf, und dass Menschlichkeit keine Fachkompetenz braucht.

Mit bitterer Hoffnung auf Veränderung
Jessica
(alchknd)

MENSCHENRECHTE

SIND

NICHT

OPTIONAL

Trans sein ist kein Trend. Es ist Realität.

Jeder Mensch, egal ob cis oder trans, verdient es, sich in seiner eigenen Haut wohlzufühlen.


Die Gesellschaft sieht oft weg, wenn Hass passiert. Doch Wegschauen ist Zustimmung. Transfeindlichkeit verletzt, vernichtet, tötet. Sichtbarkeit schützt. Solidarität rettet. Wer Mensch ist, steht auf. Wer schweigt, lässt es geschehen.

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